Zum Ende der Lesung lasen wir ein Gedicht des Lyrikers Maksym Kryvtzov. Es war das letzte Gedicht, das er schrieb, das er schreiben konnte. Er starb am 07. Januar d.J., gerade 34 Jahre alt, im Schützengraben und postete es nur 2 Tage vor seinem Tod. Das Gedicht trägt keinen Titel. Wir fanden es im Internet, so wie auch den Kommentar eines Followers, einer Followerin, dem wir nichts hinzuzufügen hatten.
Mein Kopf rollt von Wäldchen zu Wäldchen
wie ein Steppenläufer
oder ein Ball.
Meine Arme sind abgerissen.
Im Frühjahr
sprießen Veilchen daraus.
Hunde und Katzen stibitzen
meine Beine.
Mein Blut färbt die Welt
in ein neues Rot.
Pantone-Menschenblut.
Meine Knochen
versinken im Boden,
bilden eine Karkasse.
Mein Gewehr, durchschossen,
das Ärmste, muss rosten.
Meine Ausstattung, Wechselklamotten
bekommt ein neuer Rekrut.
Ach, möge er bald kommen,
der Frühling, damit ich erblühe -
endlich als Veilchen.
Dies der Kommentar: „Jedes Mal, wenn ein Zaungast der ukrainischen Tragödie seine Kriegsmüdigkeit beklagt, werde ich an das letzte Gedicht von Maksym Kryvtsov denken, das er zwei Tage vor seinem Tod im Schützengraben schrieb, aber auch an seinen gelben Kater, der ihm die letzten Monate treu zur Seite gestanden hat. Nun sind die beiden tot. Möge dir die Erde leicht sein, Maksym, ich bin dir gerne gefolgt‘.“